Bundeskabinett verabschiedet Entwurf des Pflegestärkungsgesetzes II
Kabinettsbeschluss am 12.08.2015
Das Gesetz soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Das neue Begutachtungsverfahren und die Umstellung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung sollen zum 1. Januar 2017 wirksam werden.
01.01.2016 | Inkrafttreten |
18.12.2015 | 2. Durchgang Bundesrat |
12./13.11.2015 | 2./3. Lesung Bundestag |
30.09.2015 | Bundestagsanhörung |
24./25.09.2015 | Erste Lesung Bundestag (Paralleleinbringung) |
25.09.2015 | Erster Durchgang Bundesrat (Paralleleinbringung) |
12.08.2015 | Kabinettsbeschluss |
09.07.2015 | Fachanhörung |
22.06.2015 | Referentenentwurf |
Das neue Leistungsrecht setzt das Ziel des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, Hilfen zum Erhalt der Selbständigkeit und der verbliebenen Fähigkeiten bereitzustellen, systematisch um. Fünf für alle Pflegebedürftigen einheitlich geltende Pflegegrade ersetzen das bisherige System der drei Pflegestufen und der zusätzlichen Feststellung von erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (insbesondere Demenz). Die bisherigen Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz werden in das reguläre Leistungsrecht integriert. Alle Pflegebedürftigen erhalten damit gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung.
Die fünf Pflegegrade
In Zukunft werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Mit der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Einstufung in einen Pflegegrad. Die sechs Bereiche sind:
1.Mobilität
2.Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
3.Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen
4.Selbstversorgung
5.Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
6.Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Mehr Unterstützung für Pflegebedürftige
Hauptleistungsbeträge in Euro
PG1 PG2 PG3 PG4 PG5
Geldleistung ambulant 125* 316 545 728 901
Sachleistung ambulant 689 1298 1612 1995
Leistungsbetrag stationär 125 770 1262 1775 2005
(* Als Geldbetrag, der für Erstattung der Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung steht.)
Die Unterstützung setzt künftig deutlich früher an. In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber zum Beispiel eine Pflegeberatung, eine Anpassung des Wohnumfeldes (z.B. altersgerechte Dusche) oder Leistungen der allgemeinen Betreuung benötigen. Somit wird der Kreis der Menschen, die erstmals Leistungen der Pflegeversicherung bekommen, deutlich erweitert.
In der vollstationären Pflege kommt es für die Betroffenen nicht auf die Höhe der Leistungsbeträge an sondern auf die Höhe des Eigenanteils, der aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Dieser Eigenanteil steigt bisher mit der Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Künftig wird der pflegebedingte Eigenanteil mit zunehmender Pflegebedürftigkeit nicht mehr ansteigen. Dadurch werden viele Pflegebedürftige entlastet. Alle Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bezahlen in einem Pflegeheim den gleichen pflegebedingten Eigenanteil. Dieser unterscheidet sich zwischen den Pflegeheimen. Im Bundesdurchschnitt wird der pflegebedingte Eigenanteil im Jahr 2017 voraussichtlich bei rund 580 Euro liegen. Hinzu kommen für die Pflegebedürftigen Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen. Auch diese unterscheiden sich von Pflegeheim zu Pflegeheim.
Überleitung bereits Pflegebedürftiger
Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Niemand muss einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen. So wird für die Betroffenen unnötiger zusätzlicher Aufwand vermieden. Dabei gilt: Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr.
Konkret gilt die Formel: Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet.
(Beispiele: Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe III wird in Pflegegrad 4 übergeleitet). Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad. (Beispiel: Pflegestufe 0 wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz wird in Pflegegrad 4 übergeleitet.)
Weitere neue Regelungen
In stationären Pflegeeinrichtungen hat künftig jeder Versicherte Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote. Die Einrichtungen müssen mit den Pflegekassen entsprechende Vereinbarungen schließen und zusätzliche Betreuungskräfte einstellen.
Das Pflegestärkungsgesetz II stärkt den Grundsatz "Reha vor Pflege". Durch Rehabilitationsleistungen kann der Eintritt von Pflegebedürftigkeit verhindert oder hinausgezögert werden. Deshalb wird der Medizinische Dienst zur Anwendung eines bundesweit einheitlichen, strukturierten Verfahrens für die Rehabilitationsempfehlungen verpflichtet. Pflegepersonen, z.B. Pflegende Angehörige, werden in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert: Künftig zahlt die Pflegeversicherung Rentenbeiträge für alle Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen im Pflegegrad 2-5 mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage, zu Hause pflegen. Die Rentenbeiträge steigen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Wer einen Angehörigen mit außerordentlich hohem Unterstützungsbedarf (Pflegegrad 5) pflegt, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als bisher. Außerdem werden mehr Menschen unterstützt. Denn auch Angehörige, die einen ausschließlich demenzkranken Pflegebedürftigen betreuen werden über die Rentenversicherung abgesichert. Auch der Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung wird verbessert. Für Pflegepersonen, die aus dem Beruf aussteigen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, bezahlt die Pflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Die Pflegepersonen haben damit Anspruch auf Arbeitslosengeld und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, falls ein nahtloser Einstieg in eine Beschäftigung nach Ende der Pflegetätigkeit nicht gelingt. Gleiches gilt für Personen, die für die Pflege den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung unterbrechen. Die gesetzlichen Regelungen zur Information und Beratung werden neu strukturiert und ausgeweitet und die Beratung selbst wird qualitativ verbessert. Die Pflegekassen müssen künftig kostenlose Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen anbieten. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit der Pflegeberatung mit weiteren Beratungsstellen vor Ort – z.B. der Kommunen – durch verbindliche Landesrahmenverträge verbessert werden. Der Entwurf enthält zudem Änderungen zur Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Versicherten und Pflegebedürftigen von Bürokratie. So soll das Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Einstufung in einen Pflegegrad künftig den Betroffenen automatisch, also ohne bislang erforderliche Antragstellung zugehen (mit Widerspruchsmöglichkeit). Zudem ist vorgesehen, dass bei Einwilligung der Betroffenen die Empfehlungen des Medizinischen Dienstes zur Hilfsmittel- bzw. Pflegehilfsmittelversorgung von den Pflegekassen künftig gleich als Antrag zu werten sind und fachlich durch die Pflege- bzw. Krankenkasse in der Regel nicht erneut überprüft werden.
Die Regelungen zur Qualitätssicherung, -prüfung und -darstellung werden grundlegend überarbeitet und die Entscheidungsstrukturen der Selbstverwaltung in diesem Bereich gestrafft.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit